Juliette Binoche und Daniel Auteuil liefern einander Atem beraubende Schauspielduelle.
KURIER, 15.05.2005

Michael Haneke entwickelt vor allem auf der Ebene des Films im Film bzw. des Videos im Video beträchtliche Wirkkraft und offeriert gleichzeitig unzählige Lesarten einer Geschichte.
Claus Philipp, DER STANDARD, 17.05.2005

CACHÉ ist ein Thriller, aber einer, der sich die Freiheit nimmt, nicht nur das Uhrwerk des Suspense, sondern auch die Politik, das Soziale und die jähen Machtverschiebungen zwischen den Menschen im Auge zu behalten. Man kann diesen Film, so spannend er ist, ebenso gut auch ein Melodram nennen oder ein politische Allegorie. Haneke ist als Auteur zu stark und zu genau, um bloß ein Genre zu bedienen. Hanekes Arbeit, die seit je – durchaus im Sinn Robert Bressons – größtmöglicher Einfachheit, aber auch potenzieller Wandelbarkeit verpflichtet ist, hat sich mit CACHÉ weiter verändert: Äußerlich gibt sie sich noch klarer, noch unverstellter, innerlich aber, in seinem Kern, wirkt CACHÉ sogar komplexer noch als alle früheren Filme Hanekes, weil er, ohne jede Prätention, auf mindestens drei Ebenen zugleich agiert: auf der "kriminellen", der medialen und der historischen. CACHÉ ist ein Film über den Schock des Verlusts an Privatheit, ein Film übers Bildermachen und über Frankreichs Geschichtstraumata.
Stefan Grissemann, PROFIL, 23.05.2005

Haneke, der Atmosphäre und Emotion meisterlich zu kontrollieren weiß, zeigt auch in Tempo und Bildqualität eine Präzision, die das Publikum an ihn bindet.
SCREEN INTERNATIONAL

CACHÉ ist angelegt wie eines der Gemälde von M. C. Escher, wo all die scheinbar verbundenen Wege und Treppen bei genauerem Hinsehen gar nicht verbunden sein können, eine räumliche Unmöglichkeit, die durch eine optische Täuschung zeitweilig außer Kraft gesetzt wird. Escher wie Haneke weisen mit ihren Konstruktionen offen auf die logischen Lücken ihres Konstruktes hin. Die bei CACHÉ viel diskutierte Frage lautet, worauf die Lücken hinweisen sollen. Auf das unbewältigte koloniale Erbe Frankreichs? Auf die Brüchigkeit scheinbar harmonischer Beziehungen? Auf die (Un)Fähigkeit von Personen und Nationen, sich ihrem schlechten Gewissen zu stellen? Oder gar darauf, dass wir Medienbildern, ob nun Videos oder TV-Nachrichten, nicht vertrauen sollten?
DIE WELT

Zu den herausragendsten Filmen des Festivals gehörte Michael Hanekes CACHÉ, in dem der Österreicher präzise beschreibt, wie die Welt eines TV-Moderators aus den Fugen zu geraten droht – just in dem Moment, als dem Fernsehmann geheime Überwachungsvideos zuschickt werden und seine Frau zu ahnen beginnt, dass er vor ihr ein düsteres Geheimnis aus seiner Kindheit verbirgt. Der packende Psychothriller spielt genau an jener Schnittstelle der menschlichen Existenz, an der das Öffentliche ins Private eindringt: Nichts geht so tief unter die Haut, so zeigt Haneke in seinem Film, wie der Blick einer Kamera.
DER TAGESSPIEGEL, 23.05.2005

Großartig und Atem beraubend ... Reich an Spiegelungen unserer unsichtbaren Kindheitswunden, Einsamkeit gegen innerliche Dämonen, der Schmerz der Geheimnisse eines Pärchens, die Art wie die Schuldigkeit an einer Person nagt, die Rache der Unterdrückten ... Das ergreifende persönliche Drama nimmt universale Dimensionen an.
Jean-Luc Douin, LE MONDE (Frankreich)

Raffiniert sadistisch ... Haneke regt auf sadistische Weise die sensitiven Punkte der heutigen Gesellschaft an: Besessenheit mit Sicherheit, der Kult von Individualität, spießbürgerliches schlechtes Gewissen und angepasste linksorientierte Ideale ...
Didier Peron, LIBERATION (Frankreich)

Auf formaler Ebene hat Haneke die sichtbarsten Effekte seines Kinos wegradiert, die, die ihn als verstörenden oder provozierenden Autor etabliert haben. … Wenn das Kino Michael Hanekes moralisch und vorsätzlich ist, dann sind dies im Kontext dieses Filmes zwei seiner großartigsten Eigenschaften.
Julien Welter, ARTE (Frankreich)

Ein guter Film, sogar ein guter Krimi, gibt sich mehr mit Stimmungslagen und Persönlichkeiten ab, als mit der Enthüllung von "wer hat es getan" oder "was geschieht als nächstes". CACHÉ wird durch das unbewegliche Auge eines Überwachungsvideos geschildert und wirkt mit Mächtigkeit und Feinheit ... Kraftvoll und geschmeidig ...
Richard Corliss, TIME (USA)

Haneke ist ein Film-Provokateur…. Alles Urteile, alles Metaphern – gewiss, die Identität des Täters muss geschlussfolgert werden. Die Stimmung ist kühl, die Kamera ist ebenso statisch und schonungslos - nicht flimmernd wie die Beobachtungsvideos. Während das beklemmende Gefühl von Furcht sich immer mehr steigert, deutet CACHÉ darauf hin, dass man nicht weit schauen muss, um üble Burschen zu finden. Wir könnten einfach in uns hineinsehen ...
Mary Corliss, TIME (USA)

Obwohl es in den ersten Tagen eine Menge von ausgezeichneten Filmen beim Filmfestival in Cannes gab, sahen wir vor Samstag nicht, was viele als den ersten wahren bedeutenden Film des Festivals bezeichneten.
Wahrhaftig, Michael Hanekes CACHÉ schaffte die für seine Filme charakteristische Uneinigkeit, einige waren genervt von dem, was sie als herablassend und predigend sahen; die Mehrzahl allerdings war einfach überwältigt und das nicht nur von der brillanten Darstellung, sondern auch von der Relevanz und dem Umfang von den zur Sprache gebrachten Themen.
Daniel Auteuil spielt den Moderator einer literarischen Fernsehtalkshow; er erhält plötzlich Kassetten über sein Kommen und Gehen aus dem Haus, welches er mit seiner Frau, einer Verlegerin (Juliette Binoche) teilt; diese Videos sind in Kinderzeichnungen eingepackt, die Andeutungen auf blutige Gewalt zeigen.
Die Polizei kann nichts dagegen tun und die anonymen Pakete beginnen Auteuils Familienleben stark zu strapazieren; er fühlt sich bedroht und beginnt die Kontrolle zu verlieren.
Von dieser einfachen Einbildung gewinnt Haneke einen reichhaltigen Strom von Themen, die mit dem täglichen Leben zu tun haben: die Verdrängung von Gefühlen und Erinnerungen, gesellschaftliche und wirtschaftliche Unterdrückung, die Einflüsse von Prominenten, der Schwund von Privatsphäre, die Angst vor anderen, Voyeurismus, Verantwortung und Gewissen.
Entscheidend allerdings ist, dass der Film ebenso als fesselndes Drama erfolgreich ist; er ist spannend, geistreich, fesselnd, und oft sehr ergreifend. Diejenigen, die noch immer behaupten, dass Hanekes Filme kalt sind, sollten die Szene zwischen Auteuil und Annie Girardot betrachten, sie spielt die Mutter – nur ein Beispiel von vielen fast-perfekten Momenten der Schauspielkunst.
Von den Filmen, die bisher im Wettbewerb in Cannes gespielt wurden, scheint CACHÉ bestplatziert, um einen bedeutenden Preis abzuholen (oder mehr).
Geoff Andrew, TIME OUT (Großbritannien)

Seit Donnerstag Nachmittag kommt Michael Hanekes Film CACHÉ mit größter Begeisterung immer wieder zur Sprache, noch ein weiterer Film vom neuen Kino der Angst. Eine Geschichte über ein gutbürgerlich-bohemien verheiratetes Pärchen, das von einem Geist gequält wird, genauer gesagt von einem algerischen Kindheitsfreund des Ehemannes. Hanekes Film erweckt sowohl hoffnungsvolle als auch pessimistische Interpretationen.
Manohla Dargis, NEW YORK TIMES (USA), 20. Mai, 2005

Der erfolgreichste unter den konkurrierenden Genre Filmen in Cannes war Michael Hanekes CACHÉ. Gedämpfter in der Garstigkeit als in den meisten seiner Filme, nichtsdestoweniger verwendet er wieder viele seiner Lieblingsthemen – Beobachtungsvideos, Kindheitsschuldgefühle, die Familie unter Beschuss. Eine selbstgefällige Fernsehpersönlichkeit (Daniel Auteuil) und seine Frau (Juliette Binoche) werden von einer Reihe von mysteriösen VHS-Kassetten, die auf ihrer Türschwelle hinterlassen werden, terrorisiert. Haneke löst nicht alle Geheimnisse auf – das ist ein Kunstkrimi – aber auf eine wirksame Weise schafft er ein Gefühl der persönlichen Bedrohung in einem größeren geschichtlichen Rahmen.
J. Hoberman, THE VILLAGE VOICE (USA)

Das Ziel des Krimis ist ersichtlich.

Ein Krimi mit gezielt dichter Handlung, dessen nicht sehr verstecktes Thema es ist, das schlechte Gewissen der Welten derjenigen, die alles haben, gegenüber denen, die nichts haben, aufzuzeigen. CACHÉ ist eines der anschaulichsten und durchdringendsten Werke von Michael Haneke.
Das Geheimnis, das hinter einer Reihe von anonymen Videokassetten steckt, die auf der Türschwelle einer bürgerlichen Pariser Familie auftauchen, verwandelt sich in eine Metapher über die Angst der Ersten Welt vor Gewalt, die sie selbst schuf und dann aus dem Bewusstsein verdrängte.
Während Filme, deren höchstes Ziel es ist, einen reinen "wer-hat-es-getan-Krimi" zu zeigen, mehr Zuseher anziehen, als ein üblicher Haneke Film, werden Zuseher, die nicht die tieferen Momente registrieren, sich wahrscheinlich von dem offenen Ende betrogen fühlen, welches so einfach mit einem oder dem anderen Übeltäter zu beenden wäre.
Diese sturköpfige Ablehnung, den Film wie einen typischen Krimi enden zu lassen, könnte dem Film etwas Geld an der Kinokasse kosten, allerdings unterstreicht sie das Bedürfnis, genauer nachzudenken, wer die wahren Opfer sind, wenn der endgültige Schaden kalkuliert und die Leichen gezählt wurden.
Georges (Daniel Auteuil), Moderator einer beliebten Fernsehtalkshow über Literatur und seine Frau Anne (Juliette Binoche), die in der Verlegerbranche arbeitet, leben in einer ruhigen, kleinen Straße gemeinsam mit ihrem gut erzogenen 12-jährigen Sohn Pierrot.
Das Bild scheint perfekt, bis eines Tages eine Kassette mit einer zweistündigen Aufzeichnung von ihrem Haus auftaucht, mit einer beunruhigenden Zeichnung eines Kindes aus dessen Mund Blut fließt. Sie werden eindeutig von jemandem beobachtet, aber warum?
Georges scheint mehr belästigt als Anne, aber sie unternehmen nichts, bis eine zweite Kassette erscheint. Sie kontaktieren die Polizei, aber da keine offensichtliche Bedrohung besteht, bietet ihnen diese keine Hilfe an.
Die Zuschauer werden unter Anwendung klassischer Krimi - Methoden in die Geschichte eingeführt. Haneke verwendet keine irrelevanten Filmaufnahmen um die Spannung und eine Atmosphäre von eindringender, unbekannter Gefahr aufzubauen.
Bald beginnt Georges innere Unruhe an die Oberfläche zu kommen und er offenbart eine extreme Angst und Wut über etwas, dass er schon lange verdrängt hat. Die Aufzeichnungen werden immer persönlicher und es scheint, als kenne der Autor der Kassetten Georges sehr gut; ein kleiner Zwischenfall auf der Straße bringt seine aggressive Seite gegenüber einem schwarzen Jugendlichen zum Vorschein. Eigenartige Bilder von einem blutbespritzten, dunkelhäutigen Jungen erscheinen ihm uneingeladen und suchen seine Träume auf.
Schlussendlich führt eine Videokassette Georges zu einer bescheidenen Wohnung eines algerischen Mannes in seinem Alter. Es ist Majid, seine Eltern arbeiteten für Georges Familie im Jahr 1961, als die französische Repression den Höhepunkt in Algerien erreichte. Majid streitet überzeugend ab, etwas von den Kassetten zu wissen. Aber als Pierrot eines Nachmittags nicht von der Schule nach Hause kommt, lassen Georges und Anne Majid und seinen Sohn verhaften.
Obwohl das Geheimnis noch lange nicht gelüftet ist, dreht der Film - kaum wahrnehmbar - das Drama der Familie in eine andere Richtung, Stück für Stück wird die Geschichte, wer Majid ist und was Georges ihm angetan hat, enthüllt.
Verantwortung wird zum Thema, nicht nur die französische Verantwortung gegenüber Algerien, sondern aktueller: die europäische und amerikanische Verantwortung gegenüber dem Irak und der Welt im Allgemeinen. Das Entscheidende natürlich ist die persönliche Verantwortung. Die gesellschaftliche Aussage des Films ist unverkennbar, dennoch geschickt eingewebt in den Stoff der Geschichte, es wirkt nicht wie ein nervender Anhang.
Eine unheimlich lange Szene lüftet einige Geheimnisse betreffend Georges' Elternhaus, einem Steinbauernhof, wie von einer Postkarte, den seine bettlägrige Mutter (Annie Girardot) bewohnt, die noch immer sehr vital eine der positivsten Persönlichkeiten im Film darstellt. Dennoch stellt sich heraus, dass auch hier die Saat für spätere Konflikte gepflanzt wurde.
Auteuil liefert eine außergewöhnliche Darstellung in einer hässlichen, geschmacklosen Rolle. Er macht klar, wie Angst, zusammen mit spießbürgerlicher Gefälligkeit, seine eskalierende – völlig legale Aggression gegen diejenigen, denen er Unrecht angetan hat, fördert. Seine ruhige, grimmige Aussage: "Terrorisiere mich und meine Familie und du wirst es bereuen" ist eine Drohung, die die Bedeutung des ganzen Films darlegt.
Die noch eher ausgeglichene Ehefrau Binoche ist eine schockierte Zeugin seiner auftauchenden Geheimnisse und verborgenen Gewalt, aber sie ist verfangen in der paranoiden Atmosphäre, die rund um ihn herrscht. Pierrot wird ebenfalls in diese Angst hineingezogen und beginnt die ersten Zeichen von Verwirrtheit, Verdächtigung und Misstrauen zu zeigen.
Da ist wenig Beruhigendes in der zweideutigen, letzten Kameraeinstellung, als Kinder aus einer Hauptschule strömen, widerspiegelnd die erste Kameraeinstellung - eine lange Szene von dem Haus der Familie.
Wie gewöhnlich für Haneke, ist die technische Arbeit während des ganzen Films von hohem Wert. Die klare Optik und sanfte Beleuchtung des Kameramannes Christian Berger umhüllt die Welt der Laurents in einen angenehmen, aber provokativen Mittelklasse-Kokon. Mit Hilfe von Christoph Kanters und Emmanuel De Chauvignys harmonischer Setgestaltung betont er die Belesenheit und gute schulische Bildung der Laurents.
Das rasche Tempo von Michael Hudeceks und Nadine Muses' Schnitt lässt die Geschichte flüssig und gezielt, aber übersichtlich und eindrucksvoll ablaufen und hält die Aufmerksamkeit von Zusehern vom Beginn bis zum Ende aufrecht.
Deborah Young, VARIETY (USA), 15. Mai, 2005

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